Thema: Re: Und am Anfang war... der Anfang Do 01 Aug 2024, 00:07
Roel nickte, erst langsam, dann entschlossener und setzte sich wieder hin, um die bereits durchgesehenen Zeitungen auf einen Stapel zu legen. „Du hast recht“, meinte sie dann leise und sah ihn wieder an, lächelte so ein bisschen, obwohl ihre Augen noch gerötet waren. „Ich hab zu lange rumgeheult. Und zu lange gewartet, dass ich einfach so Antworten bekomme.“
Die einzigen Fenster der Bibliothek, die natürliches Sonnenlicht hereinließen waren klein und zeigten Wälder, die weit entfernt lagen und nur durch Portale erreicht wurden. Erst als sich die ersten Strahlen zeigen und sanft auf Roels Bücher schienen, bemerkte sie wie müde sie war und wie viele Bücher sie durchforstet hatten. Sie hatten nach dem Volltreffer in der Zeitung nichts mehr gefunden. Nur die gleichen Informationen, die sie auch im Unterricht bekamen, wie die Hexe Maev Bancroft das Siegel mit Hilfe ihres Covens (einem Coven, der sich als Nonnen-Convent tarnte) errichtete und damit den Großteil der Magie in dahinter bannte. Sie hatten mit Vertretern der Kirche einen Vertrag geschlossen, der die Hexenverfolgung endlich beenden würde und rettete damit scheinbar ihr ganzes Volk. Damit verließ auch vieles andere ihre Welt, nicht nur die Kraft, die heute den Hexen fehlte. Roel dachte an die Holzschnitte und Kupferstiche, die Elfen, Gnome und Trolle zeigten. Es war nicht klar, ob sie gestorben waren oder ob die Naturgeister aus Magie bestanden, die ebenfalls hinter das Siegel gesperrt worden war. Sie waren einfach weg. Sie beobachtete das Sonnenlicht durch das Fenster, wie es die moosbewachsenen Bäume umspielte und stand dann auf, um hinüber zu Sam zu gehen, der noch immer tief in einen Text versunken war.
„Wieso musst du da immer wieder mit anfangen?“ Rowan klang verständnislos als er Roel unterbrochen hatte. Sie blickte zu ihm hinüber, auf die andere Seite des Esstisches, weg von Jakob, dem sie gerade eine Frage zu ihrer Mum gestellt hatte. „Und was ist mit dir los?“, zischte sie zurück und lehnte sich bestimmt zurück an ihren Stuhl. „Weil Jack da ist oder was? Ist doch voll egal ob der das hört, wir würdens ihm doch eh erzählen“, sie gestikulierte zu ihrem besten Freund hinüber, der sich gerade einen mundvoll Nudeln hineingestopft hatte, bevor die Stimmung gekippt war. „Roel“, unterbrach Jakob, der zwar zusammen gezockt war, als Roel die Worte „An was hat Mum eigentlich geforscht bevor sie hingerichtet wurde?“ ihm beim Abendessen vor den Latz knallte, aber sich nun sehr ruhig etwas Salat auf den Teller auftat. „Ich verstehe, dass du das wissen möchtest, aber ich kann dir dazu nicht viel sagen. Deine Mum war da nicht so gesprächig und ihre Unterlagen wurden alle konfisziert.“
Jack Donahue
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Thema: Re: Und am Anfang war... der Anfang Do 01 Aug 2024, 10:57
Immer noch ein wenig müde von dem Besäufnis am Seerhein gestern hatten sie nicht viel vorgehabt. Einfach den Tag zusammen auf dem Sofa verbringen. Ein paar Filme gucken vielleicht. Rowan auf der Couch und Jack auf dem Boden, den Kopf an seine Beine gelehnt. Schließlich war das eines seiner seltenen freien Wochenenden, seit er im Trinkteufel angefangen hatte. Irgendwann gegen Abend hatte Jakob sie zum essen gerufen und nur ein paar Minuten später fielen sie über die Nudeln her. Jakob kochte auch einfach zu gut. Vor allem im Vergleich zu Jacks normaler Diät, bestehend aus einem Packen Asianudeln im vorbeigehen und ab und an einmal einem Apfel. Gerade hatte er sich erneut eine Gabel voll in den Mund geschoben, als auf einmal die Stimmung kippte. Jack folgte mit den Augen dem Gespräch und sank ein wenig in seinen Stuhl ein. Das hier war eindeutig eine Familiensache und er fühlte sich fehl am Platz. Erst als Rowan Roel anfuhr, nur weil die wissen wollte, was mit ihren Eltern passiert war, funkelte er seinen Freund anklagend an. Sie hatte immerhin jedes Recht dazu, mehr darüber zu erfahren. Und diese ganze Heimlichtuerei machte ihn sowieso immer Kirre. "Lass sie doch. Als würdest du es nicht wissen wollen",murmelte er in Richtung Rowan. Auf Roels Zuspruch hin lächelte er ihr nur schief zu. Er wusste, wie wenig sie über die Hintergründe der Verhaftung ihrer Familie wusste und wie sehr sie das beschäftigte. Und kein Schwein wollte ihr etwas sagen. Es war vielleicht nicht Jacks Moment, jetzt etwas zu sagen, aber Jakob erwartungsvoll ansehen, so als hätte er sie noch nicht mit einem einzelnen Satz abgespeist, das konnte er immerhin tun.
Roel Salem
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Thema: Re: Und am Anfang war... der Anfang Fr 09 Aug 2024, 23:38
Roel beobachtete Rowan wie er seinen Kopf senkte und einen zähen Moment auf seinen Teller starrte, auf dem er die Nudeln mit der Gabel träge hin und her schubste. „Es gibt einfach Dinge, die man irgendwann ruhen lassen muss“, sagte er leiser, aber immer noch genervt. „Bringt doch nichts das ganze wieder und wieder aufzuwühlen…“ Ein Atemzug, den sie zu lange in ihrer Brust gehalten hatte, verließ sie durch ihre Nase, schnaubend, ehe sie sich wieder zu Jakob wandte. „Mir egal ob Rowan mal wieder Angst hat anzuecken-„ „Tue ich nicht!“, ihr Bruder protestierte, doch Roel sah nicht zu ihm hinüber. Seit er auch an der Hochschule war, wollte er so gut wie möglich seinen Kopf unten halten und nicht auffallen. Roel nervte es. Es war als ob er sich gar nicht wirklich freute dort zu sein, sondern ständig Angst hatte, die anderen würden ihn packen und rauswerfen. „Gibt es gar nichts mehr von Mum?“, fragte sie dann ebenfalls leiser und sah Jakob flehend an. Dieser seufzte ebenfalls und betrachtete erst länger Rowan, ehe er Roels Blick teilte. „Wir haben nur alte Fotos auf dem Dachboden“, meinte er dann mit sanfter Stimme, legte seine Hand auf Roels, als sie den Kopf hängen ließ. „Da sind aber auch vielleicht welche dabei, die du noch nicht gesehen hast. In den hinteren Kisten.“ „Solange es nur das ist“, kommentierte Rowan kaum hörbar. Roels Augen weiteten sich und sie sah hinüber zu Jack, den sie vielsagend ansah, ungefähr: Lass deinen Freund schmollen und hilf mir die Kisten zu durchwühlen.
Jack Donahue
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Thema: Re: Und am Anfang war... der Anfang Mo 11 Nov 2024, 22:01
Das demonstrative Grinsen auf seinem Gesicht war immer noch nicht gewichen. Auch wenn Jack sich nicht sicher war, wie überzeugend es wirkte. Trotzdem konnte nur jeder sehen, dass es ihm völlig egal war, dass Rowan tatsächlich unten in seinem Zimmer geblieben war, während er Roel half, die alten Kartons zu durchstöbern. Er war immerhin im Recht und Rowan musste irgendwann mit dieser irrationalen Angst aufhören. Immerhin würde ihn kaum jemand aus der Schule werfen, wenn seine Schwester auf ihrem eigenen Dachboden Bilder ihrer Eltern suchte. Genau so hatte er es ihm auch gesagt. Gut, vielleicht war sein Ton nicht der freundlichste gewesen. Trotzdem hätte Rowan einfach mitkommen können, anstatt zu schmollen. Aber gut, dann sollte er eben da unten in seinem Zimmer sitzen und rumheulen. Der Gedanke daran, dass er Rowan tatsächlich traurig gemacht haben könnte, wischte das Grinsen für eine Sekunde aus seinem Gesicht und kurz sah er zurück zu seiner Zimmertür. Ach was! Der würde sich schon beruhigen. Als Roel die Tür zum Dachboden öffnete fiel schräg die Abendsonne durch ein paar Lücken zwischen den Dachschindeln und verwandelte den aufgewirbelten Staub in winzige Glühwürmchen, die durch die Luft waberten. Wahrscheinlich hielt nur Magie an Regentagen das Wasser davon ab, all den Krempel aufzuweichen, der sich hier stapelte. Jack kletterte über einen alten Hocker mit mottenzerfressenem Sternenpolster und stolperte dann fast über ein paar Kristalle, die aus einem Karton gefallen waren, der nicht nur damit bis zum Rand gefüllt war, sondern auch mit einigen Ausgaben der 'Wochenstein', deren oberstes Exemplar mit der fachgerechten Behandlung von Warzen mit Bergkristall warb. Als er endlich in dem kleinen Freiraum in der Mitte des Bodens angekommen war, setzte er wieder sein Grinsen auf (das überhaupt nichts mit Rowan zu tun hatte) und meinte mit einer vagen Geste über Möbel, Truhen und ein Meer aus Kisten: "Ich hoffe du weißt, welche Kartons Jakob meint. Scheint mir eher so, als hätte Jakob seit 20 Jahren alles hier hoch getragen, was nicht mehr in den Müll gepasst hat."
Roel Salem
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Thema: Re: Und am Anfang war... der Anfang Mo 11 Nov 2024, 22:32
„Das hat er auch“, kommentierte Roel nur als sie eine Kiste zur Seite schob und ihr dabei ein Schwall staubige Luft entgegenschlug. Sie hüstelte, wischte sich mit ihrem Pulloverärmel über ihr Gesicht und kletterte über einige Euroboxen, in denen die Weihnachtsdekoration lebte, die David über die Feiertage immer im Haus zu verteilen pflegte. Ein singender Plüschweihnachtself fing an metallisch einen Weihnachtshit zum besten zu geben, als sie endlich an einen Schrank kam, den man gerade so zwischen die Dachschrägen platziert hatte. Sie bekam die Türen nur zur Hälfte geöffnet und spähte hinein. Sie hatten schon eine Weile gesucht ehe sie darauf gekommen war, dass sich hier auch noch etwas interessantes verbergen könnte, zumal Jakob nie das Zeug von hier hinten hervor holte. Er stellte immer nur Sachen davor ab… „Hier sind Akten… Ordner mit irgendwelchen alten Versicherungen…“, sie schob die dicken Papiersammlungen hin und her, um zusehen ob dahinter sich noch weitere Schätze verbargen. Die Rücken der Ordner waren aber nichtssagend: „Steuer 1988“, „Inventur 2002“, … Roel zog sogar einen alten Katalog eines schwedischen Möbelhauses hervor, dessen Inhalt nach Mitte der 90er aussah, ehe sie dahinter etwas entdeckte. Ihre Augen weiteten sich, als sie ein großes Buch hervorzog, das keinen Titel hatte. Die Seiten waren unliniert und von Hand beschrieben. Roel schlug es auf. Auf der ersten Seite war ein Foto des Siegels zu sehen. Ehe sie das ganz erfassen konnte, zuckte sie zusammen. Es flatterten einige lose Fotografien zwischen den Seiten hervor. „Jack!“, ihre Stimme überschlug sich, sie fiel beinahe auf die Knie, um die Fotografien zu erfassen, doch ehe ihr Freund ihr auch nur hätte zur Hilfe eilen können, hatte das Papier sie verbrannt. Mit einem Zischen verbrannten die Abzüge und Roel zuckte zurück, sodass Sie auf ihrem Hintern landete.
Jack Donahue
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Thema: Re: Und am Anfang war... der Anfang Mo 11 Nov 2024, 22:45
Jack lies Roel vorrausgehen und während er ihr hinterher kletterte, sah er sich weiter um. Neben ihm stand eine alte Schneiderpuppe, die in einem Kleid steckte, in dem immer noch Nadeln eine Naht absteckten, die wohl schon seit Jahrzehnten darauf wartete abgenommen zu werden. Seine Hand fuhr über den dicken, grünen Stoff, als eine der Nadeln sich vom Stoff losmachte und ihm gezielt in den Finger stach. "Was soll denn die Scheiße?",fluchte er und schob sich den blutenden Finger in den Mund, bevor ein paar Dinge gleichzeitig passierten. Der Geruch nach verbranntem Papier und Haar zog ihm in die Nase, aus dem Augenwinkel erkannte er einen Blitz, ein lautes Rumpeln ertönte und dann hörte er seinen Namen. Er fuhr herum und sah Roel auf dem Boden sitzen, wie sie offensichtlich versuchte, etwas zu retten, dass vor ihr auf dem Boden brannte. So schnell wie möglich kämpfte er sich durch all den Plunder und konnte sich ein paar Mal selbst gerade noch fangen, bevor er ebenfalls hinfiel. Als er schließlich bei Roel ankam war seine Kleidung voller Staub und Spinnweben. "Was ist los? Was war das?",fragte er mit einem Blick auf das Haufchen Asche, das vor Roel auf dem Boden lag und dass sie anstarrte, als wäre damit gerade ihre ganze Welt verbrannt. "Bist du ok?",fügte er schließlich hinzu und ging in die Hocke um sich Roel und die Asche etwas genauer anzusehen.
Roel Salem
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Thema: Re: Und am Anfang war... der Anfang Mo 11 Nov 2024, 23:07
Roel starrte auf die Stelle, an der gerade noch die letzten Fetzen loses Papier verbrannten. Das Buch hatte es auch erwischt, aber jetzt wo sie hastig durchblätterte und sich dabei ihre Finger mit Ruß schwärzte, erkannte sie, dass abgesehen von dem angekokelten Foto des Siegels sich nichts darin befand. Die Fotos waren wohl eingeklebt gewesen und hatten sich über die Jahre wohl gelöst. „Ich weiß ich hab Fotos gesehen- ich hab glaube ich auch das Gesicht meiner Mum gesehen und jetzt-„, Sie wirbelte herum und packte das Buch fest an ihre Brust und sah sich hastig auf dem Dachboden um. Abgesehen von ihren eigenen schnellen Atemzügen konnte sie nichts hören, sodass sie langsam Jack ansah. „Warum gehen Bilder einfach so in Flammen auf?! Ein Schutzzauber? Das-„
„-mach doch gar keinen Sinn.“ Bale konnte durch Roels Augen sehen, wie sie durch das Aschehäufchen wühlte, wie ihre aufgeregten bleichen Fingerchen danach das Buch wieder aufrissen um noch einmal ungläubig darin zu blättern. Die Schrift darin war ebenfalls mit Ruß geschwärzt, als ob sie jemand ausgebrannt hätte. Als ob er sie nicht vor wenigen Momenten ausgebrannt hätte. Er wischte sich grob über seine Oberlippe. Schwarzes Blut troff aus seiner Nase, ein dickflüssiges Rinnsal, dass bitter auf seiner Zunge schmeckte. Dieser Zauber war schwer zu wirken gewesen, nicht nur weil er auf Distanz hatte geschehen müssen, sondern auch weil der Strang zu Roels kleinem Köpfchen noch nicht so stabil war, wie er es sich gewünscht hatte. Bale kappte die Verbindung zwischen ihnen und sah wieder den Garten von Crow Manor vor sich, der in dichtem Nebel wie in der Zeit gefroren dalag. Wenn er nicht per Zufall vorhin in ihre Gedanken gehört hätte, hätte Sie wohl noch Material gefunden, auf dem mehr zu sehen war, als ihm jetzt gerade lieb war. Immerhin sollte sie keine Informationen selbstständig erhalten. Aus Quellen, die er nicht vorher abgesegnet hatte… Er zog seinen Schal zurecht, während sein Atem vor seinem Gesicht tanzte. Er würde sich wohl noch einmal mit ihr und Sam unterhalten müssen, damit solche Alleingänge nicht mehr stattfanden.